Wie weit und wie lange wurde schon vor mehr als 200 Jahren höchst treffend definiert «Die Börse lebt von nur zwei Triebkräften: Gier und Angst», symbolisiert durch die beiden Symbol-Tiere Bulle und Bär, deren Bronze-Statuen sich vor fast jedem Börsegebäude, meist in Form eines imposanten Bronzegusses, finden. Beide wechseln sich in ihren Führungsrollen in bunter Reihenfolge ab. Für den in der Bullenphase Erfolgreichen gilt Wilhelm Buschs Beobachtung: «Er fühlt sich wie neu gestärkt, als er so viel Geld bemerkt». Für die vom Bärenbiss Gestraften gilt eher J.W. Goethes Faust 2, Kapitel 28: «Mich fasst ein längst entwöhnter Schauer, der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an».
Nicht umsonst wählten zwischen 1929, und insbesondere 1932, einige hundert völlig verzweifelte Spitzenbörsianer den Freitod durch den fallschirmlosen Sprung vom Dach eines Hochhauses. Es war und ist offensichtlich: Die schönsten Zeiten an der Börse erlebt man während der Bullenphase. Danach wird die Gemengelage sehr gemischt.
Wie gemischt? Dies fasste einst der Altvater der Börsensychologie, Bob Farrell, mit Rückblick auf die Ereignisse von 200 Börsenjahren sehr gekonnt in 10 «Regeln» im Jahre 1960 zusammen. Es gibt keine «neuen und besseren Ausnahme-Zeiten, alle Exzesse (wie z.B. ein »ewiger Boom») gleich welcher Art, sind niemals permanent. Sie kommen und gehen. Es gibt kein besseres oder schlechteres Morgen, im Sinne einer neuen und besseren Börsenzeit in der «alles besser wird». Exponentiell rapide steigende oder fallende Kurse korrigieren sich IMMER, aber sie korrigieren sich niemals durch irgendwelche Seitwärtsbewegungen.
Die Öffentlichkeit, also die Masse der kleinen und mittleren Investoren, kaufen am wenigsten nahe der Marktspitzen, sie steigen also «immer zu spät» ein. Die technisch und durch Insiderinfomationen hoch gerüsteten, und kapitalstarken Grossen am Markt wissen das, und steigen rechtzeitig ein oder aus und ihnen fliesst das Kapital der Kleinen am Ende zu.
Die Kleinen verkaufen meist nahe der Bodenbildung, lange nach den rechtzeitig agierenden Grossen. Furcht und Gier sind immer stärker als noch so gute einst in bester Absicht gefassten «persönlich vorgenommenen Langzeit-Entscheidungen und einst fest geplanten Anlagestrategien und persönlichen Regeln und Grenzziehungen («so etwas würde ich aber niemals tun und diese Grenzen würde ich nie überschreiten und jene Risiken nie und nimmer eingehen»). Diese selbst gesetzten Regeln und Grenzziehungen gehen im entscheidenden Moment, unter dem Eindruck des momentanen Marktgeschehens, so gut wie immer über Bord. Der Investor wird, wie ein süchtiger Spieler, entgegen aller persönlichen Vorsätze und einst gefassten Grundsatz-Entschlüssen, einfach mitgerissen.
Die Märkte mit ihren Trends sind dann am stärksten und im Aufwärtstrend am zuverlässigsten, wenn sie mit vielen börsenkotierten Unternehmen breit aufgestellt sind. Sie sind am unzuverlässigsten, also zur Schwäche neigend, wenn sie nur oder im Wesentlichen von wenigen, ganz grossen, berühmten und bisher sehr zuverlässigen Namen und deren Kursen, dominiert sind.
Diese Situation herrscht gerade jetzt vor. Der Markt wird beherrscht von börsenstarken Riesen wie Apple, Google, Microsoft, Exxon, Tesla, Amazon, Morgan Bank, Facebook und anderen Giganten, deren jeweilige Börsenwerte im zwei-, drei oder gar vierstelligen Milliardenbereich zu suchen sind. Diese Sachlage macht es den mit jeder relevanten Information, mit allen Vollmachten der Wall Street, sowie mit 300 Milliarden $ als «Notkapital» ausgestatteten im Hintergrund heimlich arbeitenden «Kursstützern», wie dem Plunge Protection Team, sehr einfach, die Börse über Wasser zu halten. Sie brauchen nur mit relativ bescheidenem Kapitaleinsatz einige wenige Werte zu kaufen und der Börsenindex «stimmt wieder», ganz im Sinne der Finanzindustrie der Zentralbanken und der gesamten Dollar-Hierarchie. Und schon bleibt die Masse der noch zu schröpfenden Kleinanleger schön bei der Stange, und der unvermeidliche Crash wird immer weiter hinausgeschoben.
Natürlich gibt es weitere kursstützende Einflussfaktoren: Seit Beginn des Jahres 2017 pumpten die Zentralbanken weltweit 1200 Milliarden frisch aus dem Nichts geschaffene Dollar-Werte, freilich also nicht nur in Dollars, sondern in diversen Währungen, in das Finanzsystem. Dieses Sümmchen muss ja irgendwohin.
Immobilien werden langsam knapp, also hallali, auf auf zur fröhlichen Börsenjagd. Zu den Jägern gehören Banken (sie leiden unter den Tiefzinsen), Versicherungen, Pensionskassen, Staaten und Millionen von Sparern. Das gesunde Zeitalter von Sparen und Investieren ging ja längst zu Ende. Es wird nur noch krankhaft und zwanghaft spekuliert. Doch wer gehört zur spekulierenden Jagdmeute an der Börse? Alle, die unter einem zinsfreiem System leiden, also vor allem die Sparer, wie auch Hedgefonds, Unternehmen, die ihre eigenen Aktien (meist auf Pump) zurück kaufen und so deren Kurse stützen. Wenn die Flut kommt, in diesem Falle eine künstliche Flut, heben sich alle Boote im Börsenhafen an. Die Kurspegel steigen. Fundamentaldaten, wie Quartalsgewinne, Konjunkturmeldungen, Umsatzprognosen, Verschuldung und andere zählen nicht mehr, bestenfalls noch Übernahmegerüchte finden Beachtung. Wo zum Teufel findet man irgendwo überhaupt noch eine Rendite?
Ausserdem hilft der Mangel an Alternativen im Anlagebereich. Die Durchschnittsrenditen von Festverzinslichen liegen bei Null. In der Schweiz und in Japan muss man sogar eine Abgabe zahlen, nur um in die Gnade zu kommen, einige Nullzins-Bonds überhaupt kaufen zu dürfen. Der Anleger zahlt jetzt Zinsen und nicht mehr der Emmittent, wie seit Jahrhunderten üblich. Anderswo sieht es ähnlich trübe aus.
Edelmetalle, was ist das überhaupt? Sie gehören in die Nachttisch-Schublade der Urgrossmutter. Wie lange muss der Käufer von 10-jährigen US-Staatsanleihen warten, bis er seinen Kapitaleinsatz in Form von Zinscoupons wieder zurück erhält? Nur 45 Jahre, also bis zum Staatsbegräbnis einer gewissen Kanzlerin. Gute Veganer und Yogis mögen das schaffen. Mit 10-jährigen Euroanleihen dauert die Rückzahlung lediglich 85 Jahre. Wir feiern dieses Ereignis im Jahre 2102. Herzlich willkommen zu den Feierlichkeiten, Blumen für die Hausfrau nicht vergessen!
Und wer in 10-jährige japanische Staatsanleihen investierte braucht nur 200 (zweihundert) Sonnenjahre abzuwarten, bis er seinen Einsatz zurück erhält. Das macht selbst optimistische Menschen (spich Bond-Investoren) in den Sterbezimmern der Krankenhäuser fast schon etwas mutlos. Für den unwichtigen Rest der Menschheit gilt: Alles bestens. Wir, also die Gemeinschaft der Nullzinssaffen, schaffen das!
Lasst uns eben in die Aktienmärkte flüchten. Dort ist alles sicher, hell und schön. Aktien sind krisenfest, dort kann man nur gewinnen.B itte beachten: Wenn dort alle optimistisch sind, wer will dann noch verkaufen? Wenn alle pessimistisch sind, wer will dann noch kaufen? Die Börsengeschichte lehrt ausserdem noch eine weitere Regel: Wenn alle Analysten, Politiker, Berater, Experten, Banker, Medien und Kommentatoren einhellig der Meinung sind, dass die Börse eine gewaltige und sonnenhelle Zukunft hat – wie gerade derzeit – dann ist der Crash nicht mehr weit.
Ausser Angst und Gier herrschen an den Börsen, je nach Phase, weitere Emotionen.
Während der Aufschwungphase regieren:
Depression, Hoffnung, Spannung und schliesslich Euphorie und Jubel.
Während des Abschwungs dann:
Optimismus, wie 2004-2005
Erregung, wie 2005
Hochspannung wie 2006
Euphorie, wie 2007
Vorrübergehender Rückschritt, wie 2008
Angst, wie 2008
Leugnung der Verluste, Abstreiten, Streitlust, Weigerung Verluste ehrlich anzuerkennen, Kapitulation, wie 2009 …»WIe konnte ich nur so falsch liegen? Aber ich bin ein Langzeitinvestor».
Neue Hoffnung und Optimismus, wie ab 2009
Verzweiflung, Panik, Kapitulation, wie Ende 2008
Depression, wie 2009-2010
Mehr Hoffnung, wie 2011
Erleichterung, wie 2012
Erregung, wie 2014
Schwere Erregung und Taumel, wie 2015
Euphorie, wie 2016 (genau wie 2007) «Gott sei dank, ich bin ein Superinvestor und sehr schlau, fast schon ein Finanzgenie»
Zweifel, erste Bedenken und Ängste, wie 2017 ...Die Zentralbanken und die Wall Street haben alles im Griff und der Bullenmarkt dauert noch viele Jahre oder sogar Jahrzehnte. So sagen die Fachleute und die müssen es ja wissen. Sobald meine Enkel ihr erstes Geld verdienen, steigen auch sie voll in diesen unaufhaltbaren, gut gepanzerten Bullenschnellzug ein.
Wann wohl wird die erste Panikwelle ihre hässliche Schaumkrone aufbauen? Wann wird das erste rote Signal überfahren?
Doch zum Schluss kein kleiner, sondern ein grosser Trost. Die zyklischen Regeln und Gesetze der Börse (siehe oben) gelten nicht nur für Aktien, sondern auch für Rohstoffmärkte und natürlich auch für Gold und insbesondere für das derzeit lächerlich billige, und fortwährend herunter manipulierte Silber. Hier herrschen Trauer, fast schon Verzweiflung und Depression. Erste Keime der Hoffnung spriessen. Doch die Wegstrecke bis zum Waldrand des Optimismus, oder gar zur hellen Lichtung des Jubels, vom Springbrunnen der Euphorie ganz zu schweigen, zieht sich hin. Gut zu wissen, dass die Gesetze der Börse aber dennoch bleiben und gelten. Zudem versiegen die Quellen des Edelmetall-Rohmaterials, also die Minen, langsam aber sicher. Der natürliche Materialnachschub ist wegen tiefer Marktpreise und hoher Produktionskosten gestört.
Die seit über 8 Jahren laufende Bullenphase an der Aktienbörse ist, nebenbei bemerkt, die längste in der Geschichte. Das KGV liegt nicht bei seinem historischen Mittelwert von 10 bis 12, sondern bei über 20. Doch wen stört das schon? Aktien sind extrem teuer. Genau wie Immobilien. Und Gold, und vor allem Silber, sind extrem billig. Ihre Kaufkraft schwankt, geht aber niemals, zu keiner Zeit, und in keinem Land der Welt, auf Null, was man von Papiergeld und von irgendwelchen «Wertpapieren» nicht behaupten kann.
Die Börsengeschichte wiederholt sich selten wortwörtlich und punktgenau, aber sie verschafft Wahrscheinlichkeiten als Maßstab.
Ein kleiner Überblick:
Seit 1929 gab es 25 Bärenmärkte. Ein «Bärenmarkt» ist definiert, wenn der S&P 500 Aktienindex um mindestens 20 % fällt. Der gegenwärtige Bulle ist schon 8,3 Jahre alt und gewann bisher 222%, mit kleinem Marschhalt 2015.
Der längste Bär kam 1932 mit minus 35 %, der kürzeste wurde mit minus 21 % 1949 beobachtet. Rechnet man die gesamte Phase 1929 bis 1932 ein, so verlor der S&P 500 damals satte 86 %, mit einem kurzen Marschhalt 1932.
Die Durchnittsdauer aller Bärenmärkte belief sich auf 3,4 Jahre. Sollte auch nur eine einzige der genannten Grossfirmen von der Börse per Abverkauf verschwinden, dann wäre der Rettungs-Notgroschen des Plunge Potection Teams in wenigen Minuten verschwunden.
Wie lange wird der heutige Bulle noch laufen oder kriechen, denn seine Knie zittern schon? Raten Sie mit!
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Mit freundlichen Grüssen,
Hans J. Bocker
© Prof. Hans-Jürgen Bocker
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